Von Sankt Apollinaris aus der Legenda Aurea von Jacobus de Voragine
Apollinaris kommt von pollens, das ist voll; und ares, das ist Tugend: einer der voll Tugend ist; oder es kommt von Apollo, das ist verdolmetscht wunderbar; und naris, damit wird bezeichnet Bescheidenheit; und es heißt also: ein Mensch wunderbarlicher Bescheidenheit. Oder es kommt von a, ohne; und polluo, beflecken; und ares, Tugend; und ist soviel wie ein Tugendhafter ohne die Flecken der Laster.
Apollinaris war Sankt Peters Jünger und wurde von ihm von Rom nach Ravenna gesandt. Dort heilte er die Frau eines Tribunen und taufte sie mitsamt ihrem Mann und ihrem ganzen Hause. Das wurde dem Richter gemeldet, und Apollinaris wurde dann vor ihn gebracht und in den Jupitertempel geführt, damit er dort opfere. Da sprach er zu den Götzenpriestern, dass man das Gold und Silber der Götterbilder besser den Armen gebe als für die bösen Geister zu verwenden. Darum wurde er ergriffen und mit Knüppeln geschlagen bis er halbtot liegen blieb. Seine Jünger aber hoben ihn auf und pflegten ihn sieben Monate lang im Haus einer Witwe. Danach kam er in die Stadt Classe, um dort einen Edelmann zu heilen der stumm war. Als er aber in das Haus kam, lief ihm eine Jungfrau entgegen, die war von dem Teufel besessen, und schrie „Weiche von hier, Knecht Gottes, sonst will ich machen, dass du gebunden an Händen und Füßen zur Stadt hinausgeschleift wirst”. Apollinaris aber rief den Namen des Herrn an und heilte ihn; davon wurden mehr als fünfhundert Menschen gläubig. Da schlugen die Heiden ihn mit Knüppeln und wollten ihn zwingen, dass er den Namen Jesu nicht mehr ausspräche; er aber rief, da er am Boden lag, Christus sei allein der wahre Gott. Sie stellten ihn auch mit nackten Füßen auf glühende Kohlen; doch da er auch so ohne Furcht Christus predigte, stießen sie ihn zur Stadt hinaus.
Zu der Zeit wurde die Tochter des Patriziers Rufus, eines Fürsten von Ravenna, krank, und er rief Sankt Apollinaris herbei, dass er sie heile. Aber als der Heilige in sein Haus trat, starb die Tochter. Da sprach Rufus: „Wärest du doch nicht in mein Haus gegangen; siehe, nun sind die großen Götter zornig geworden und wollen meine Tochter nicht mehr heilen; was aber kannst du für sie tun?” Apollinaris antwortete: „Habe keine Furcht, doch schwöre mir: wird deine Tochter wieder lebendig, so hindere sie nicht, ihrem Schöpfer nachzufolgen.” Das schwur der Vater. Da betete Sankt Apollinaris, und die Jungfrau stand auf, bekannte den Namen Christi und empfing mit ihrer Mutter und vielen anderen die heilige Taufe, und blieb danach jungfräulich bis an ihren Tod. Als das der Kaiser vernahm, schrieb er dem Vogt des Richthauses, er solle Apollinaris zum Opfer zwingen oder in die Verbannung senden. Und da er nicht opfern wollte, ließ ihn der Vogt mit Knüppeln schlagen und danach auf die Folter spannen und martern. Aber auch in der Folter predigte Apollinaris standhaft den Namen des Herrn. Da ließ der Vogt kochendes Wasser in seine Wunden gießen und wollte ihn mit schweren Ketten gefesselt in die Verbannung senden. Als aber die Christen solchen Frevel sahen, wurden sie zornig und griffen die Heiden an und töteten mehr als zweihundert von ihnen. Da verbarg sich der Vogt in großer Angst und ließ Apollinaris in den tiefsten Kerker werfen; danach ließ er ihn mit Ketten gefesselt auf ein Schiff bringen und sandte ihn mit drei Klerikern, die nicht von ihm lassen wollten, in die Verbannung. Auf der Fahrt kamen sie in einen Sturm, dem entrann Apollinaris allein mit zwei Priestern und mit zwei Kriegsknechten, die sich von ihm taufen ließen. Danach ging er wieder nach Ravenna und wurde dort von den Heiden gefangen und in den Tempel des Apollo geführt; als er aber das Götzenbild sah, verfluchte er es und das Bild fiel um. Als die Heidenpriester das sahen, führten sie ihn vor den Richter Taurus; doch als er dessen blinden Sohn sehend machte, wurde der Richter gläubig und ließ ihn vier Jahre auf seinem Landgut wohnen. Danach verklagten die Priester den Apollinaris beim Kaiser Vespasianus, der gebot: wer die Götter beleidigte, der sollte opfern oder aus der Stadt vertrieben werden; doch sei es nicht ziemlich, dass man die Götter an ihren Feinden räche: sie sollten sich selber rächen, wenn sie zürnten. Da nun Apollinaris nicht opfern wollte, übergab ihn der Patrizier Demosthenes einem Hauptmann, der aber schon Christ war. Auf dessen Bitte hin verbarg sich der Heilige in dem Stadtteil der Aussätzigen, um vor der Wut der Heiden sicher zu sein. Aber das Volk kam ihm hinterher und schlug ihn so lange, bis er tot war. Er lebte noch sieben Tage in Ermahnung seiner Jünger und gab danach seinen Geist auf. Die Christen begruben ihn in der Stadt mit großen Ehren, unter dem Kaiser Vespasianus, der um das Jahr des Herrn 70 an die Herrschaft kam.
Ambrosius spricht von diesem Märtyrer in seiner Praefatio: „Apollinaris, der würdige Bischof, wurde von dem Apostelfürsten Petrus nach Ravenna gesandt, den Ungläubigen den Namen Christi zu verkündigen. Er gab dort den Gläubigen viele wunderbare Zeichen seiner Kräfte; doch wurde er oft hart gegeißelt und geschlagen und sein greiser Leib von den Heiden schmählich gepeinigt. Aber damit die Gläubigen nicht ob seiner Marter verzagen sollten, tat er in der Kraft und im Namen Jesu Christi Wunder, so wie die Apostel sie taten: nach seiner Folter erweckte er ein totes Mädchen; gab den Blinden klares Gesicht und einem Stummen die Sprache wieder; heilte eine, die vom Teufel besessen war, reinigte einen Aussätzigen; gab den Gebrauch der Glieder wieder, die eine böse Krankheit gelöst hatte; und zerstörte ein teuflisches Götzenbild mitsamt dem Tempel. O hochgelobter Bischof, der mit des Bischofs Würde des Apostels Gewalt vereinigte; tapferer Streiter Christi, der noch als müder Greis standhaft in aller Pein Christus den Weltheiland predigte!”